Der Content Creator im Interview
"Schattenseite"-Autor Jonas Ems: Bestimmen Klickzahlen sein Leben?
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von teleschau - Paula OferathJonas Ems spielt in dem Film "Schattenseite", dessen Romanvorlage aus seiner Feder stammt, die Rolle von Yannik.
Bild: ARD Degeto Film/HR/funk/Dreamtoo
Jonas Ems ist nicht nur Content Creator, sondern auch Autor der Romanvorlage der neuen ARD-Serie "Schattenseite". Im Interview mit der teleschau spricht er darüber, warum ihn Themen wie Mobbing, Hackerangriffe und Klickzahlen sein Leben bestimmen.
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1,5 Millionen Follower:innen auf Instagram, fast drei Millionen auf YouTube - Jonas Ems gehört zu den bekanntesten Gesichtern der deutschen Social-Media-Welt. Angefangen hat alles mit 13 Jahren, als der Kölner seine ersten Videos hochlud. Heute beschäftigt er sich mit Themen, die weit über Unterhaltung hinausgehen: Tierschutz, Konsumkritik und der verantwortungsvolle Umgang mit Medien. Im Interview erklärt Jonas Ems, warum ihm diese Themen so am Herzen liegen, was es bedeutet, von Klicks abhängig zu sein, und welche Nachteile der Erfolg im Netz mit sich bringt.
teleschau: Wie kommt ein Content Creator dazu, ein Buch zu schreiben?
Jonas Ems: "Schattenseite" ist bereits mein drittes Buch, das ich geschrieben und veröffentlicht habe. Mich reizt es, über die typischen "Influencer"-Themen hinauszugehen. Deshalb beschäftige ich mich intensiv mit Film, schreibe an Büchern mit und unterstütze bei der Entwicklung von Serien. Den Wunsch, einen Roman zu verfassen, hatte ich schon lange. Ein Jahr nach der Veröffentlichung wurde klar, dass Produktionsfirmen Interesse an den Filmrechten haben und es möglicherweise bald eine Verfilmung geben wird.
Wie hat sich das angefühlt?
Ems: Ich habe mich unglaublich gefreut. Natürlich war es ein langer Prozess bis zu diesem Punkt, doch gerade das machte es umso aufregender. Gemeinsam mit dem Verlag Ullstein habe ich intensiv daran gearbeitet. Schließlich standen wir vor der Entscheidung, welcher Produktionsfirma wir den Zuschlag geben - Angebote gab es mehrere.
"Eigentlich hat alles als Hobby begonnen"
Was waren für Sie die Kriterien, sich für eine Produktionsfirma zu entscheiden?
Ems: Am Ende war nicht entscheidend, wie groß die Produktionsfirma ist, sondern welche die größte Chance bietet, das Buch tatsächlich umzusetzen. Häufig sichern sich große Firmen die Rechte an bekannten Titeln nur, um zu verhindern, dass andere Produzenten sie verwirklichen - umgesetzt werden sie dann oft gar nicht. Genau das ist bereits bei meinem vorherigen Buch "Die andere Verbindung" passiert: Die Rechte lagen bei einer Produktionsfirma, aber es passierte nichts. Dieses Mal wollte ich deshalb bewusst wählen. Gemeinsam mit meinem Verlag hatten wir bei "Dreamtool Entertainment" das beste Gefühl, und das hat sich bestätigt.
Sie sind auch Spiegel-Bestseller-Autor. Haben Sie manchmal das Gefühl, diesen Titel verteidigen zu müssen?
Ems: Nein, überhaupt nicht. Am Ende ist es fast schon eine philosophische Frage: Darf man sich Autor nennen, sobald man ein Buch geschrieben hat? Eine spezielle Ausbildung braucht es dafür ja nicht - anders als etwa bei einem Arzt. Ich finde, ein Studium ist keine Voraussetzung, um sich Autor zu nennen.
Wie kam es dazu, dass Sie Content Creator geworden sind?
Ems: Eigentlich hat alles als Hobby begonnen. Mit 13 Jahren fing ich an, Videos aufzunehmen und suchte nach einer Plattform, um sie hochzuladen. So stieß ich auf YouTube. Zunächst wollte ich die Aufnahmen nur mit meinen Klassenkameraden teilen - das ist inzwischen 15 Jahre her. Doch irgendwann schauten und kommentierten auch Menschen meine Videos, die gar nicht in meine Klasse gegangen sind.
Wie ging es dann weiter?
Ems: Ich fand es so cool, über meine Videos plötzlich fremde Menschen im Internet erreichen zu können. Im Grunde mache ich genau das bis heute. Mit der Zeit kamen dann neue Plattformen dazu - erst Instagram, später Snapchat und schließlich auch TikTok. Als Influencer habe ich mich dadurch gewissermaßen verpflichtet gefühlt, auf all diesen Kanälen regelmäßig Inhalte zu teilen.
"Vielen ist gar nicht bewusst, welche Informationen sie von sich preisgeben"
Sie selbst spielen ja auch eine kleine Rolle in der Serie "Schattenseite". War das Ihr Wunsch?
Ems: Nein, das war tatsächlich eher ein Wunsch des Senders und der Produktion. Mein Beitrag zu dem Film liegt vor allem in der Drehbucharbeit, weniger in der Schauspielerei. Trotzdem war es eine schöne und spannende Erfahrung.
Ihr Roman "Schattenseite" behandelt Themen wie Mobbing oder auch Hackerangriffe. Warum haben Sie sich dafür entschieden, über solche Themen zu schreiben?
Ems: Ich bin großer Fan des Genres "Thriller". Deswegen war mir von Anfang an klar: Wenn ich nochmal ein Buch schreibe, dann einen Thriller. Als ich das Buch 2019 schrieb, hatte ich das Gefühl, dass es kaum Stoffe gab, die sich mit der neuen Gefahr im digitalen Raum auseinandersetzen. Vielen ist gar nicht bewusst, welche Informationen sie von sich preisgeben - sei es durch Bilder, Videos oder Browserverläufe. Überall, wo wir uns im Internet anmelden, hinterlassen wir Spuren. Eine zentrale Frage beim Schreiben meines Buches war für mich: Was passiert, wenn alle Geheimnisse auf meinem Smartphone gehackt werden? Ich wollte dieses Thema bewusst in die Lebenswelt von Jugendlichen verweben.
"Ich würde sagen, dass die Gefahr im Netz in den letzten Jahren zugenommen hat"
Inwiefern sind Sie selbst von dieser Thematik betroffen?
Ems: Ich erlebe das alles ja aus erster Hand, weil ich in diesem Bereich arbeite. Viele Menschen teilen mir völlig ungefragt ihre Probleme über Social Media mit. In meinen DMs berichten sie zum Beispiel von schlimmen Erfahrungen aus ihrer Schulzeit: Sie haben Nacktfotos an vermeintliche Freunde geschickt, die dann gegen sie verwendet wurden. Teilweise bekomme ich sehr detaillierte Berichte und Geschichten zugeschickt, die für mich auch eine Art Inspiration sind. Solche Fälle zeigen mir, dass das keine Einzelfälle sind, sondern Realität. Und genau das muss auch den Menschen da draußen vermittelt werden.
Ihr Buch erschien 2019. Wie haben sich Ihrer Meinung nach die Gefahren im Netz seitdem verändert?
Ems: Ich würde sagen, dass die Gefahr im Netz in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Mittlerweile sind fast alle, auch Eltern und Großeltern, im digitalen Raum aktiv und legen Social-Media-Accounts an. Gleichzeitig wissen viele nicht, wie man sich sicher im Internet bewegt. Dadurch steigt das Risiko erheblich.
Bis Ende 2021 war Ihr Content überwiegend humoristisch. Heute befassen Sie sich auch mit Themen wie Tierschutz, Konsum und Medienkritik. Was hat zu diesem Sinneswandel geführt?
Ems: Ich glaube, das war ein Reifungsprozess. Ich bin einfach älter geworden und habe gemerkt, dass mir die Dinge, die ich vorher gemacht habe, nicht mehr so viel Freude bereiten. Irgendwann stand für mich die Entscheidung an: entweder ganz mit Social Media aufhören oder meine Reichweite für Themen nutzen, die mich wirklich interessieren und die zudem einen gesellschaftlichen Mehrwert haben. So kam es zu dem radikalen Bruch auf meinem YouTube-Kanal und später auch auf meinen anderen Accounts. Bis heute bin ich damit zufrieden. Ich merke, dass ich Menschen erreiche, die sich für diese Themen interessieren und darüber diskutieren.
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"Aufrufe sind schließlich die Währung in meiner Arbeitswelt"
Haben Sie keine Bedenken, wenn Sie als Content Creator kritisch über Medienkonsum sprechen?
Ems: Diese Angst hatte ich nie. Ich habe gesehen, dass es viele Meinungsblogger gibt, die kritisch auf unterschiedliche Themen blicken. Mir geht es nicht darum, dass Menschen Social Media gar nicht mehr nutzen, sondern darum, dass sie es bewusst tun. Meiner Meinung nach ist es völlig in Ordnung, auf Social Media abzuhängen. Ich habe das nie so gesehen, dass ich mir den Ast absäge, auf dem ich sitze. Vielmehr wollte ich das Internet nicht mit denselben Inhalten vollmüllen, mit denen ich es früher gefüllt habe. Alles, was ich teile, sollte Mehrwert bieten.
Wie oft hängen Sie denn auf Social Media ab?
Ems: Meine Bildschirmzeit beträgt im Tagesdurchschnitt fünf Stunden und zwölf Minuten.
In "Schattenseite" spielen Klicks eine große Rolle. Welche Bedeutung haben Klicks für Sie persönlich?
Ems: Eine sehr große. Ich bin schon ziemlich abhängig davon geworden. Über gute Aufrufzahlen freue ich mich natürlich. Schon früh hatte ich den Gedanken: Je mehr Aufrufe, desto besser. Aufrufe sind schließlich die Währung in meiner Arbeitswelt. Da ist es natürlich ein Unterschied, ob 10.000 oder eine Million Menschen erreicht werden.
Würden Sie sagen, dass Sie sich über die Klicks definieren?
Ems: Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass ich meine Laune manchmal von den Klickzahlen abhängig mache. Natürlich definiere ich meinen beruflichen Erfolg auch daran, wie die Aufrufe gerade laufen.
Der 28-jährige Kölner Jonas Ems ist als umtriebiger Content Creator bekannt. Wenn man ihn auf einem Event trifft, ist er jedoch sehr zurückhaltend.
Bild: Getty Images/Ben Kriemann
"Habe einmal einen Shitstorm aus der Reitsport-Community bekommen"
Sie haben 1,5 Millionen Follower:innen auf Instagram. Welche Schattenseiten bringt ein solcher Erfolg mit sich?
Ems: Ich glaube, wenn man im Internet eine gewisse Reichweite erreicht, muss man sich bewusst sein, dass man viel direktes Feedback bekommt - in Form von Direktnachrichten oder Kommentaren. So etwas kann, vor allem wenn man es nicht gewohnt ist, zu seelischen Verletzungen führen. Im echten Leben bekommt man solche direkten Rückmeldungen ja eher selten. In den Kommentaren werden mir schon sehr heftige Dinge an den Kopf geworfen - etwas, das mir im Alltag auf der Straße nie passieren würde. Da ich das schon so lange mache, bin ich das inzwischen gewöhnt und ein Stück weit abgehärtet.
Gibt es noch weitere Schattenseiten, die Sie erfahren haben?
Ems: Wenn ich im echten Leben neue Bekanntschaften schließe, bin ich zunächst immer etwas skeptisch. Ich achte darauf, ob die Person wirklich an mir interessiert ist oder ob ich nur interessant bin, weil ich eine große Reichweite habe. Bisher habe ich damit jedoch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Ich würde sagen, ich merke meist schnell, worauf es hinausläuft. Da ist meine Menschenkenntnis gut genug.
Mit so vielen Follower:innen übernehmen Sie automatisch eine Vorbildfunktion. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, was Sie posten?
Ems: Ich glaube, mit der Zeit habe ich einfach ein Gefühl dafür entwickelt, was ich posten sollte und was nicht. Grundsätzlich hat sich daran bei mir im Laufe der Zeit nichts geändert. Wenn ich etwas poste, dann tue ich das einfach, ohne lange darüber nachzudenken. Hinter einem Post oder einer Story steckt bei mir keine Masterstrategie.
Gab es schon einmal einen Moment, in dem Sie bereut haben, etwas gepostet zu haben?
Ems: Ja, ich habe einmal einen Shitstorm aus der Reitsport-Community bekommen. Es ging um ein Video, in dem ich erklärte, warum man nicht auf Pferden reiten sollte. Viele meiner Videos entstehen in Zusammenarbeit mit einem Skriptingteam, weil sehr viel Recherche dahintersteckt - allein hätte ich gar nicht die Zeit, alles zu machen. Oft stecken darin dutzende Stunden Arbeit. In diesem Fall war das Video an einigen Stellen jedoch unsauber recherchiert. Mein Fehler war, dass ich keinen Doppelcheck gemacht habe und das habe ich im Nachhinein bereut.
"Diese Dimension wird einem erst klar, wenn man sich die Zahlen anschaut"
Wie sahen die Konsequenzen aus?
Ems: Die Reiter waren natürlich emotional angegriffen und sehr wütend darüber, dass ich dieses Video gemacht habe. Da die Recherche unsauber war, war das Video völlig zurecht angreifbar. Das war eine wichtige Lehre für mich: meine Quellen immer doppelt zu prüfen.
Wie haben Sie den Shitstorm persönlich erlebt?
Ems: Zwei, drei Tage hintereinander habe ich sehr viele wütende Nachrichten bekommen. Es wurden sogar zahlreiche TikToks zu dem Thema erstellt, in denen Leute auf ihren Pferden saßen und behaupteten, die gesamte Reit-Community würde Jonas Ems hassen. Das war schon ziemlich verrückt und hat sich seltsam angefühlt. Trotzdem stehe ich hinter allem, was ich poste. Normalerweise passiert so etwas auch nicht.
In einem Video von 2022 haben Sie sich selbst als introvertiert bezeichnet, trotzdem sprechen Sie regelmäßig vor der Kamera und erreichen Millionen von Menschen. Wie passt das zusammen?
Ems: Der Punkt ist, dass ich ja nicht vor Tausenden oder Millionen Menschen spreche, sondern nur vor meiner Kamera. Deshalb ist das auch für introvertierte Personen sehr gut machbar. Ich kann es sogar als Ventil nutzen. Manche möchten vielleicht vielen Leuten etwas mitteilen, trauen sich aber nicht oder fühlen sich unwohl - trotzdem wollen sie bestimmte Themen ansprechen oder einfach Videos im Internet machen. Beim Drehen selbst ist einem das oft gar nicht so bewusst, und gerade das macht den Reiz aus. Als ich noch jünger und introvertierter war, war das für mich eine großartige Möglichkeit. Diese Dimension wird einem erst klar, wenn man sich die Zahlen anschaut.
"Vielleicht steckt ein kleines bisschen Ego dahinter"
Sind Sie noch immer introvertiert?
Ems: Wenn Sie mich auf einem Event treffen würden, würden Sie merken, wie zurückhaltend ich bin. Viele, die mich eigentlich aus dem Internet kennen, fragen dann im echten Leben oft, ob es mir gut geht, ob etwas los ist oder ob ich mich unwohl fühle. Dann sage ich immer: "Nein, so bin ich in Wirklichkeit" (lacht). Ich verstehe, dass es für viele komisch wirkt, wenn man in Videos aufgedreht ist oder viel redet. Für mich ist das hinter der Kamera eher ein Safe Space. Ich würde aber auch sagen, dass ich im Vergleich zu meiner Schulzeit heute deutlich lockerer bin, wenn es darum geht, vor Menschen zu sprechen. Trotzdem mag ich es am Ende lieber, einfach mit zwei Freunden wegzugehen und einen entspannten Abend zu genießen.
Schauen Sie regelmäßig nach, wie sich Ihre Followerzahl entwickelt?
Ems: Ja, ich bin da schon sehr analytisch und fokussiert. Meine Laune hängt dabei oft auch von der Anzahl meiner Follower ab.
Motiviert Sie das Tracking der Follower eher aus Ego-Gründen oder weil es für Ihr Einkommen relevant ist?
Ems: Der Geldaspekt spielt dabei keine große Rolle. Man kann es eher mit Vereinssport vergleichen: Wenn man verliert, ärgert man sich. Vielleicht steckt ein kleines bisschen Ego dahinter, aber vor allem ist es einfach ein doofes Gefühl.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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