"Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise"
Linda Zervakis über deutsche Bildungs-Krise: "Schlimmer, als ich mir vorgestellt habe"
Aktualisiert:
von teleschauIm Gespräch verrät die Journalistin welche Eindrücke sie während ihrer neuen Reportage gesammelt hat.
Bild: Seven.One / Hahn + Hartung
In der Reportage-Reihe "Linda Zervakis" geht die Journalistin verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen auf den Grund. Beim Thema Bildung kommt die ProSieben-Redakteurin zu einem ernüchternden Fazit, wie sie in einem Interview betont.
Am 24. November behandelte ProSieben ein heikles Thema: Die Primetime-Reportage "Linda Zervakis. Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise" befasst sich mit der Lage an den deutschen Schulen. Um den Zustand abzuklopfen, recherchierte Linda Zervakis monatelang hinter den Kulissen - und warf auch einen Blick auf andere Länder.
Der Zustand um die Bildung sei in Deutschland "schlimmer, als ich mir das vor den Dreharbeiten vorgestellt hätte", wie die 50-jährige Journalistin in einem Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau erklärt. Man ruhe sich hierzulande "immer noch auf der Bezeichnung 'Deutschland, das Land der Dichter und Denker' aus" und ignoriere die gravierenden Probleme.
Dass es in anderen Ländern besser läuft, bestätigen regelmäßig die "PISA-Studien", die schulische Leistungen im internationalen Vergleich untersuchen. In der neuesten Fassung von Dezember 2023 lag Deutschland im weltweiten Vergleich auf Platz 25 - hinter Ländern wie Slowenien, Estland oder Singapur.
Linda Zervakis: "Ein gravierendes Problem ist der Lehrermangel"
Für die Mutter zweier schulpflichtiger Kinder sei der Mangel an Lehrkräften eine wesentliche Ursache, "vor allem in den sogenannten Problembezirken", erklärte Zervakis der teleschau. Vor diesem Thema habe man zu lange die Augen verschlossen. "Wer will schon an eine Brennpunktschule?!" Es müsse zudem einfach mehr in den Bildungssektor investiert werden.
Damit verknüpft sieht Linda Zervakis auch die mangelnde Wertschätzung von Lehrpersonal als Problem. "Dass es gegen Lehrerinnen und Lehrer immer noch so viele Vorurteile gibt, ist so ungerecht wie schade." Gleichwohl sei dieses Problem gar nicht so leicht zu beheben. "Das ist ein komplexer gesellschaftlicher Prozess, der nicht über Nacht passiert."
Die ehemalige "Tagesschau"-Sprecherin (von 2013 bis 2021) machte 1994 in Hamburg ihr Abitur. Auch damals habe es viel Verbesserungspotenzial gegeben. Heute hätten sich die Herausforderungen jedoch verschärft, unter anderem wegen des zunehmenden Anteils von Kindern mit Migrationshintergrund. "Es gibt viele Schülerinnen und Schüler, die einfach kein Deutsch sprechen." Daher sollte man, so Zervakis, "meiner Meinung nach über eine Kita-Pflicht nachdenken". Es gehe darum, dass die Kinder frühzeitig mit der deutschen Kultur in Berührung kommen und ein Basiswissen für den Schulstart erhalten.
Gute Beispiele: Estland - und eine Schule in Baden-Württemberg
Bei ihren Recherchen stieß Linda Zervakis indes auch auf Beispiele, die ihr Hoffnung geben. So werde an einer Schule in einem Problembezirk in Baden-Württemberg die sogenannte Schmetterlingspädagogik praktiziert. "Ältere Schüler geben den jüngeren Unterricht. Statt Lehrern gibt es Lernbegleiter." Das funktioniere erstaunlich gut: "Es ist völlig ruhig, die Kinder arbeiten und sind motiviert."
Ähnlich sei es in Estland, dem Staat mit dem besten PISA-Ergebnis in Europa. Dort werde verstärkt auf Online-Lehrangebote gesetzt. Zudem würden dort die Schüler:innen bis zur neunten Klasse nicht nach Leistung getrennt. Das fördere, so Linda Zervakis' Beobachtung, den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung. Als Beispiel nennt sie das dortige Prüfungssystem: Wenn ein Kind durchfalle, "wird zunächst nach den Ursachen gefragt. Dabei helfen auch die Mitschüler. Unterstützend gibt es eine schulinterne Nachhilfe. Und schließlich hat das Kind die Möglichkeit, die Klassenarbeit so oft nachzuschreiben, bis es bestanden hat."
Eine wichtige Voraussetzung sei in ihren Augen jedoch der Stellenwert der Schulen. "Den Menschen dort ist bewusst, dass nur über eine gute Bildung etwas erreicht werden kann, während bei uns eine gewisse Selbstzufriedenheit herrscht."
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Bildung: Linda Zervakis plädiert für Chancengleichheit
Flexiblere, auf die Bedürfnisse der Schüler:innen zugeschnittene Methoden, das sei ein gangbarer Weg, folgert Linda Zervakis. Natürlich müssten auch innovative Unterrichtsmethoden in regelmäßigen Abständen überprüft werden. "Die Zeiten ändern sich, die Lehrmethoden sollten es auch tun. Da würde ich mir für Deutschland weniger Starrheit wünschen."
Ein zentrales Anliegen der Journalistin ist nach ihrer Recherche ein System, das so vielen Kindern wie möglich eine faire Chance bietet. "Am dringendsten wäre aus meiner Sicht, die soziale Gerechtigkeit im Bildungsbereich zu verbessern. Bildung darf nicht von der Postleitzahl abhängen."
"Linda Zervakis. Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise" läuft am Montag, dem 24. November um 20:15 Uhr auf ProSieben. Zeitgleich und im Anschluss ist die Reportage im kostenlosen Stream auf Joyn verfügbar.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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