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"Skinny Tok": Wenn extremes Dünnsein das Maß aller Dinge wird

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von Claudia Frickel

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"Skinny Tok": Wie gefährlich ist der neue Trend?

Videoclip • 07:55 Min • Ab 12


Wer das richtige Mindset hat, kann und sollte dünn sein: Diesen gefährlichen Irrglauben verbreiten Influencer:innen bei TikTok. Unter dem Hashtag #skinnytok propagieren sie ein radikales Schlankheitsideal, schüren die Angst vor dem Dicksein und verherrlichen Ess-Störungen.

Was steht hinter "Skinny Tok"?

"Nichts schmeckt so gut, wie sich Dünnsein anfühlt": Das bedenkliche Zitat von Kate Moss feiert ein Comeback. In den 1990er-Jahren galt das Model als Ikone des sogenannten "Heroin Chics". Der Trend idealisierte ein extrem dünnes Erscheinungsbild, bei dem Frauen ausgemergelt und kränklich aussahen.

Seitdem hat sich viel verändert: Der Schönheitsdiskurs hat sich gewandelt und bestärkt ein gesünderes Körperbild, Castingshows und Medien setzen vermehrt auf Body Positivity.

Doch mit dem problematischen Social-Media-Trend "Skinny Tok" kehrt das extreme Schlankheitsideal von Kate Moss & Co. zurück. Influencerinnen geben bei TikTok und Instagram fragwürdige Abnehmtipps oder zeigen Vorher-Nachher-Videos mit besonders schlanken Körpern. Sie erzählen, wie toll es sei, dünn zu sein, und verharmlosen Ess-Störungen.

Doch "Skinny Tok" geht noch einen Schritt weiter und verpackt die Message als Lifestyle. Die Videos vermitteln, dass es nur auf die richtige Einstellung ankomme. Um dünn zu sein, brauche das richtige „Skinny-Girl-Mindset“, heißt es in den Videos, die von Hunderttausenden angeklickt werden.

Wer diese Denkweise verinnerlicht und schlank ist, fühle sich besser und gesund, propagiert "Skinny Tok". Wer das Ziel nicht erreicht, ist schwach und nicht diszipliniert genug, so der gefährliche Umkehrschluss.

Ist "Skinny Tok" der Beginn einer Ess-Störung?

"Wenn Dünnsein das einzige Instrument ist, um sich gut zu fühlen, und das die einzige Stellschraube für das Selbstwertgefühl ist, dann wird es sehr gefährlich." Das sagt die Psychotherapeutin Julia Goebbels bei "taff".

Social Media verleitet zum Vergleichen. Bei "Skinny Tok" zeigen die Influencer:innen zum Beispiel, wie wenig sie essen. Wer mehr auf dem Teller hat, fühlt sich schlecht. "Das negative Gefühl versucht jemand dann zu regulieren", erklärt Goebbles, "und nimmt beim nächsten Mal weniger zu sich."

Weiteres Problem: Schauen sich User:innen bei TikTok "Skinny Tok“-Videos an, bekommen sie dank des Algorithmus immer mehr davon ausgespielt.

Gefährlich ist die Verherrlichung des unrealistischen Schönheitsideals vorrangig für Kinder, Jugendliche und junge Frauen: Sie sind für die dubiosen Aussagen besonders empfänglich. Wer ungesunden Social-Media-Vorbildern nacheifert, läuft Gefahr, ein gestörtes Essverhalten zu entwickeln - bis hin zu Krankheitsbildern wie Magersucht (Anorexie) oder Bulimie.

33 Prozent der Mädchen in Deutschland zeigen Symptome einer Ess-Störung, meldet Statista mit Bezug auf das Robert-Koch-Institut. Und die Zahlen sind in den letzten zehn Jahren vor allem unter den 12- bis 17-Jährigen deutlich gestiegen.

Im Clip: So drastisch nehmen Ess-Störungen in Deutschland zu

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"taff" blickt hinter die Kulissen von "Skinny Tok"

Der "Skinny Tok"-Trend ist selbst manchen Influencer:innen, die ihn vorleben, manchmal unheimlich. "Wenn ich viele solcher Videos sehe, merke ich, dass das etwas mit mir macht", sagt TikTokerin Sofja im ProSieben-Magazin "taff".

Unter dem Hashtag #skinnytok kann sie ihre Clips seit Juni dieses Jahres nicht mehr teilen: Auf Drängen der EU blockiert TikTok die Suchergebnisse nach dem Hashtag. Wer den Begriff eingibt, landet auf einer Hilfeseite für Ess-Störungen. Das hindert die Influencer:innen aber nicht daran, entsprechende Inhalte zu posten, etwa mit leicht veränderter Schreibweise.

Zu denen gehört auch die US-Amerikanerin Liv Schmidt, die als "Skinny Tok“-Pionierin gilt. Ihr TikTok-Profil wurde 2024 sogar gesperrt, weil ihre Videos Ess-Störungen fördern können, so der Anbieter. Aber die 23-Jährige postet inzwischen munter weiter Videos mit Fitness- und Abnehmtipps sowie Sprüchen à la "It’s not a sin to want to be thin". Geld verdient sie mit der Online-Community "Skinni Societe" und Abnehmprogrammen, deren Inhalte streng geheim sind.

"taff"-Reporterin Janina meldete sich an und dokumentiert, was hinter den Kulissen passiert. Wieso vor allem die Gruppenchats von Schmidts Community so gefährlich sind, warum Psychologin Goebbels ihren Patient:innen rät, ihre Social-Media-Profile zu löschen, und wie TikTokerin Sofja ihre "Skinny Tok"-Videos verteidigt, siehst du oben im Clip.

⚠️ ESS-STÖRUNGEN: HIER GIBT ES HILFE
In diesem Artikel werden Ess-Störungen thematisiert. Dies kann bei manchen Menschen negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall ist. Zahlreiche Hilfsangebote findest du auf den Seiten des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit und deren kostenloser Hotline 0221 892031.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.

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