Krimi-Newcomer
Neues Dream-Team: Darum überzeugt der "Tatort" mit Melika Foroutan und Edin Hasanovic
Aktualisiert:
von Anne O.Sie sind jetzt in Frankfurt im Einsatz: Melika Foroutan und Edin Hasanovic feierten im Oktober ihren Einstand.
Bild: HR / Tim Wegner
Seit Oktober hat die Main-Metropole ein neues Ermittlungs-Team: Kriminalhauptkommissarin Maryam Azadi (Melika Foroutan) und Kollege Hamza Kulina (Edin Hasanovic) lösen dort Cold Cases. Warum der Frankfurter "Tatort" im besten Sinne anders ist.
Authentizität statt Klischee
Bei der Zusammenstellung des Teams sind die "Tatort"-Produzent:innen ihrer Erfolgsformel auf den ersten Blick treu geblieben: (Zwei) grundverschiedene Ermittler:innen müssen in Zukunft zusammenarbeiten. Und das natürlich nicht ganz freiwillig. Dieses Konzept des "ungesteuerten Duos" hat sich schließlich viele Jahre bewährt und ist Teil der "Tatort"-DNA. Reibung, unterschiedliche Perspektiven bei der Recherche und lustige Streitereien sind so programmiert.
Kulina (Edin Hasanovic, bekannt aus "Im Westen nichts Neues" und "Skylines") ist in diesem Fall ein eher "körperlicher" Polizist, der in die Altfälle strafversetzt wird. Dort trifft er auf die methodisch vorgehende, intellektuelle Azadi (Melika Foroutan, bekannt aus "Wunderschön", "Die Kaiserin"). Der Frankfurter "Tatort" verzichtet aber auf eine Stutenbissigkeit der erfahrenen Kriminalkommissarin oder auf das obligatorische Anzicken der beiden. Sie begegnen sich von Anfang an mit respektvoller Distanz. Ihre Chemie ist leise, professionell, aber von Beginn an von einem unausgesprochenen Verständnis geprägt.
Während ihn die Gedanken an die Ermordeten nachts schweißgebadet hochschrecken lassen, übernimmt seine Kollegin recht gefasst die Telefonate mit den Hinterbliebenen der Opfer. In ihrer Unterschiedlichkeit sind aber beide Charaktere nie überzeichnet, sondern bleiben natürlich in ihrem Rollenbild. Es gibt keine schrulligen Macken oder übertriebenen Gesten, die einzelne Charakterzüge noch mal dick unterstreichen müssen, damit sie auch bei den Zuschauenden ankommen.
Ihre Bonding-Momente, die sie zusammenschweißen, finden subtil statt. Etwa, als Maryam Azadi trotz Verbot von oben sagt: "Ich mache weiter" und Kulina nur antwortet: "Uns bleiben drei Tage." Oder als die deutsch-iranische Kommissarin ihrem deutsch-bosnischen Kollegen augenzwinkernd attestiert, dass er aber gut Deutsch spreche.
Die Lücke im Krimi-Portfolio
In den letzten Jahren sind True-Crime-Formate nicht umsonst wie Pilze aus dem Boden geschossen. Die Faszination von echten Mordfällen und Cold Cases nimmt extrem zu. Psycholog:innen sehen den Adrenalin-Kick in sicherer Umgebung oder den Wunsch nach Gerechtigkeit als Ursachen für diesen Trend. Aber auch Einblicke in die Psychologie des Täters, das Miträtseln oder das theoretische Training für den Ernstfall spielen dabei eine große Rolle.
Die "Tatort"-Reihe hat mit der Cold-Cases-Ergänzung jetzt endlich eine offensichtliche Lücke im Krimi-Portfolio geschlossen. Eine neue Ebene, die neben den zahlreichen diversen Teams für noch mehr Vielfalt sorgt. Im Gegensatz zu aktuellen Fällen, in denen es oft um die schnelle Aufklärung geht, erlaubt der Cold Case einen tieferen Blick in die Abgründe der Vergangenheit.
Die Macht der Rückblenden
Ein weiteres Herzstück von "Tatort: Dunkelheit" ist für mich die Art, wie die Opfer in den Mittelpunkt gerückt werden. Bei lang ungeklärten Verbrechen treten die Ermordeten oft nur in Form von alten Fotos in vergilbten Akten in Erscheinung. Im neuen Frankfurter "Tatort" geben die integrierten Rückblenden den Toten viel mehr Raum. Die Bilder sind sehr emotional, aber nicht kitschig, und haben mich zu Tränen gerührt.
So sehen wir zum Beispiel durch die Kinder-Augen von Mehmet Yenigün seine Mutter, bevor sie ermordet wurde. Wie sie mit ihm in der Wohnung liebevoll Verstecken gespielt hat, als er sechs Jahre alt war. Diese Momente der Empathie - weg vom reinen Täter-Fokus - sind ein Denkmal an die Verschwundenen und geben ihrer Tragödie ein emotionales Gewicht, das in vielen Crime-Formaten fehlt.
Aber auch den Angehörigen der Mordopfer, die zum Teil seit mehr als 20 Jahren auf Antworten warten, wird mehr Platz eingeräumt. Da ist der Vater, der seit dem Tod seines Sohnes nur in der abgedunkelten Wohnung Kette raucht. Dessen größter Wunsch es ist, die Fußballhandschuhe seines Kindes nach Jahren von der Spurensicherung zurückzubekommen.
Das Drehbuch schafft komplexe Figuren, die mit ihren tiefgründigen Geschichten und tragischen Schicksalen die Fassung der Zuschauer:innen hart auf die Probe stellen.
Was sonst noch geschah
"Dunkelheit" ist auch deshalb so stark, weil es nicht nur um den "Main-Ripper"-Serienkiller geht. Mehrere persönliche und berufliche Handlungsebenen werden miteinander verwoben. Da gibt es on top noch die eifersüchtige Chefin, die ihre Macht gegenüber Hamza Kulina ausnutzt. Sie nutzt seinen Fehltritt aus, um ihn zum Spitzeln gegen Azadi zu erpressen.
Kulina gerät dadurch zunächst in einen Gewissenskonflikt. Sein Stresslevel steigert sich aber noch mehr, als er durch den Fall mit einem dunklen Kapitel aus seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert wird: Als Kind hat er am Ende des Bosnienkrieges beim Massaker von Srebrenica seinen älteren Bruder verloren. Dieser Trauma-Hintergrund wird allerdings sanft in die Erzählung eingeflochten, anstatt sie zu dominieren.
Die Szenen mit Kulina und seiner Mutter, die ihn liebevoll aber beharrlich zum Essen drängt, geben seiner Figur noch mehr Tiefe.
Mein Fazit
"Tatort: Dunkelheit" ist ein herausragendes Debüt, das sowohl durch sein neues Konzept als auch durch das charakterstarke, authentische Ermittler-Duo besticht. Die Prophezeiung aus dem Titel zieht sich nicht nur durch die schrecklichen Taten des Serientäters, sondern auch durch sämtliche abgedunkelten Wohnungen und das fensterlose Büro von Kulina und Azadi.
Es ist ein düsteres, ehrliches und vor allem tief menschliches Stück Fernsehen. Ich kann den nächsten Fall kaum erwarten und der Titel des bereits abgedrehten Krimis, "Licht", lässt hoffen, dass das Ermittler-Duo vielleicht mal den Keller mit den vergilbten Akten verlassen darf.
In der Premiere lag der private Fokus klar auf Kulina, deshalb hoffe ich, dass wir im zweiten Krimi etwas mehr über mehr Maryam Azadi erfahren.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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