Jubiläum für "USA für Afrika"

Eine Nacht für die Ewigkeit: Die Entstehung von "We Are The World" vor 40 Jahren

Aktualisiert:

von Andy Ilmberger
"USA For Africa" nehmen im Januar 1985 in Los Angeles "We Are The World" auf.

USA For Africa nehmen im Januar 1985 in Los Angeles "We Are The World" auf. Im Bild zu sehen sind (u. v. l.): Cyndi Lauper, Bruce Springsteen, James Ingram, Smokey Robinson, Ray Charles, Sheila E., June Pointer, Randy Jackson; (M. v. l.):  Al Jarreau, Dionne Warwick, Lionel Richie, Kenny Rogers, Huey Lewis, Bob Dylan, John Oates, Ruth Pointer; (o. v. l.): Daryl Hall, Steve Perry, Kenny Loggins, Jeffrey Osborne, Lindsay Buckingham und Anita Pointer.

Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS


In der Nacht des 28. Januars 1985 treffen sich über 50 US-amerikanische Musikgrößen aus der Pop- und Rock-Szene in einem Studio in Hollywood, um Geschichte zu schreiben. Es entsteht eine der meistverkauften Singles der Musik-Historie.

Band Aid mit "Do They Know It’s Christmas?" als Inspiration

Es gibt etwa eine Handvoll Pop-Songs aus den 1980ern, die die Sendezeiten der Radiostationen zur Weihnachtszeit fest im Griff haben. Einer davon ist "Do They Know It’s Christmas?" von Band Aid. Jenes Benefiz-Projekt rufen Bob Geldof (The Boomtown Rats) und Midge Ure (Ultravox) im November 1984 ins Leben, als die Hungersnot damals in Äthiopien ihren traurigen Höhepunkt erreicht.

Harry Belafonte, ein erfahrener Bürgerrechtler und Musiker in den USA, lässt sich von dieser Aktion aus Großbritannien inspirieren und spielt mit dem Gedanken, in den USA eine vergleichbare musikalische Wohltätigkeitsaktion auf die Beine zu stellen. Zunächst telefoniert Belafonte mit Ken Kragen, einem prominenten Manager, über die Aussicht, möglichst viele US-amerikanische Künstler zu vereinen.

Die Idee nimmt schnell Fahrt auf. Die Pop-Ikonen Lionel Richie und Michael Jackson dürfen den Song schreiben, Quincy Jones soll die Produktion übernehmen. Der Grundstein ist somit gelegt.

Quincy Jones ruft - und alle kommen

Als die Nachricht zu dieser Idee in Hollywood die Runde macht, beginnt eine unglaubliche Aktion. Quincy Jones, legendärer Produzent, lässt an jenen Tagen die Telefonleitungen glühen: "Wir brauchen die Größten der Größten", sagt er zu seinem Team. "Und wir brauchen sie alle an einem einzigen Abend."

Die Liste der Künstler wächst von Stunde zu Stunde. Bruce Springsteen, Stevie Wonder, Tina Turner, Billy Joel - alle sagen zu. Ray Charles meldet sich, Bob Dylan ist skeptisch, lässt sich aber überzeugen. Weiter hinzu kommen unter anderen Diana Ross, Cyndi Lauper, Paul Simon - die Stars strömen zusammen wie Planeten, die sich von einer unsichtbaren Kraft angezogen fühlen.

Bald steht dann das Datum fest: der 28. Januar 1985 - direkt nach den American Music Awards. Und Quincy Jones gibt all diesen Superstars eine letzte Anweisung: "Lasst eure Egos an der Tür."


Michael Jackson, Lionel Richie und massig zerknüllte Notenblätter

Bis zu jenem 28. Januar ringen die zwei Mega-Stars Michael Jackson und Lionel Richie in einem Musikstudio noch mit der gähnenden Leere auf ihren Notenblättern, während die bereits befüllten Notenblätter zerknüllt auf dem Boden liegen. Noch zehn Tage vor dem Termin haben sie nichts Verwertbares geschrieben, so langsam stehen die beiden Songwriter mächtig unter Druck.

Nervös trommelt Michael Jackson mit den Fingern auf dem Tisch, Lionel Richie lehnt sich derweil nachdenklich zurück. Fortlaufend füllen sich leere Blätter mit Noten und Textzeilen, um dann kurz darauf doch als Wurfgeschoß auf dem Fußboden zu landen. Sie suchen nach der perfekten Melodie, den perfekten Worten. Doch bei ihren Ideen fehlt ihnen bislang stets das gewisse Etwas.

Plötzlich blickt Michael Jackson auf: "Lionel, wir brauchen etwas Großes. Etwas, das nicht nur ein Song ist, sondern eine Bewegung." Lionel Richie nickt langsam. "Etwas, das die Welt vereint." Wie so oft arbeiten auch diese beiden Künstler unter Druck am kreativsten und mit der neu gewonnenen Erkenntnis fällt schließlich der Cent. Es entsteht ein Lied, das Geschichte schreibt: „We Are The World“!

Die magische Nacht in den A&M-Studios in Hollywood

Und dann kommt jener 28. Januar. Es ist spät in jener Nacht, schon nach 24 Uhr, als die ersten Künstler nach der  Verleihung der American Music Awards in den A&M-Studios in Hollywood eintreffen. Die Luft ist geladen mit Spannung und Magie. Lionel Richie empfängt jeden der Stars wie einen Freund mit einer kräftigen Umarmung, Michael Jackson sitzt in einer Ecke und arbeitet an den letzten Feinheiten. Produzent Quincy Jones nimmt das Mikrofon und spricht zur Gruppe: "Wir sind heute hier, um etwas zu tun, das größer ist als wir selbst. Lasst uns Geschichte schreiben."

Stevie Wonder schlägt vor, eine Zeile auf Swahili einzubauen - eine Idee, die später verworfen wird, aber die Energie im Raum schwillt stetig weiter an, bis die Aufnahmen schließlich beginnen.

Willie Nelson singt seine Zeilen mit einer rauen, gefühlvollen Stimme. Cyndi Lauper sorgt mit ihrem markanten Gesang für Gänsehaut. Bruce Springsteen und Bob Dylan liefern ebenfalls auf ihr Art intensive Darbietungen, wie alle anderen Musiker in dieser Nacht. Die Stars singen nicht nur - sie fühlen jedes Wort.

In den frühen Morgenstunden ist es schließlich geschafft. Die letzten Harmonien werden aufgenommen, Ray Charles spielt noch die finalen Akkorde auf dem Klavier, und dann herrscht Stille. Eine ehrfürchtige Stille. Jeder im Raum weiß: Das hier ist nicht einfach nur Musik. Das ist ein Moment für die Ewigkeit.

Diese Stars singen bei USA For Africa

Es wäre leichter, die US-Stars aufzuzählen, die bei diesem Projekt nicht mitwirkten - etwa Prince, Madonna oder Eddie Van Halen - dennoch präsentieren wir hier eine Liste der namhaftesten Stars aus dem rund 50 Musikern umfassenden Projekt:

  • Michael Jackson

  • Lionel Richie

  • Stevie Wonder

  • Paul Simon

  • Kenny Rogers

  • James Ingram

  • Tina Turner

  • Billy Joel

  • Diana Ross

  • Dionne Warwick

  • Willie Nelson

  • Al Jarreau

  • Bruce Springsteen

  • Kenny Loggins

  • Steve Perry

  • Daryl Hall

  • Huey Lewis

  • Cyndi Lauper

  • Kim Carnes

  • Bob Dylan

  • Ray Charles

Dazu kommt der Chor von USA For Africa, bestehend aus Legenden wie Bette Midler, Smokey Robinson, Harry Belafonte, Dan Aykroyd, Sheila E., Bob Geldorf, Lindsey Buckingham, John Oates und vielen mehr.

"We Are The World" in den Charts und an der Kasse

Am 7. März 1985 kommt die Single zu "We Are The World" auf den Markt. Die Reaktionen auf diese Hymne sind überwältigend. Radiosender auf der ganzen Welt spielen den Song, Menschen kaufen die Schallplatte in Rekordzahlen. Bis heute ging der Song über 20 Millionen Mal über die Ladentheke, womit er zu den meistverkauften Singles der Geschichte zählt. Für die Hungerhilfe in Afrika kamen bis heute insgesamt über 63 Millionen Dollar zusammen.

In den Charts landet die Single wenig überraschend auf Platz eins der US-amerikanischen und britischen Hitparaden, in Deutschland und Österreich erreicht der Song immerhin Platz zwei. Das Lied wird weltweit als Hymne der Hoffnung gefeiert, gesungen von einer unvergleichlichen Versammlung von Musiklegenden. Es zeigt, dass Musik nicht nur unterhält, sondern auch verändern kann.

40 Jahre später bleibt "We Are The World" ein Meilenstein der Musikgeschichte. Ein Moment, in dem Musik die Welt für einen Augenblick zusammenbrachte. Und wer genau hinhört, kann immer noch die Magie dieser einen Nacht im Januar 1985 spüren.