Zwischen Pop und Politik

Wie politisch ist der "Eurovision Song Contest"?

Veröffentlicht:

von Luna Bas

Steht der ESC noch für Vielfalt, Sichtbarkeit und Zusammenhalt?

Bild: STEFAN WERMUTH / AFP / picturedesk.com


Bereits zum 69. Mal geht mit dem "Eurovision Song Contest" das internationale Musikspektakel der Extravaganz in Basel über die Bühne. Er gilt offiziell als unpolitischer Musikwettbewerb, der die kulturelle Vielfalt Europas feiern soll. Doch immer wieder sorgt der ESC für politische Diskussionen – so auch heuer.


Klare Positionierung - eigentlich

Laut eigenen Angaben versteht sich das Event als unpolitische Veranstaltung. Dafür sorgt vor allem eine klare Reglementierung, die Ansprachen, Gesten und anderweitige Äußerungen politischer Natur untersagt.

In der Vergangenheit ließ sich das jedoch nicht immer umsetzen: Wiederholt wurden Auftritte für politische Botschaften instrumentalisiert – sei es mit friedensstiftender oder polarisierender Absicht. So äußerte sich Griechenland 1975 während seiner Performance kritisch zum Einmarsch türkischer Truppen in Nordzypern und Norwegen nutzte 1980 seine Bühnenpräsenz für einen friedlichen Protest gegen Wasserkraftwerke. Auch Nicoles Siegerhit "Ein bisschen Frieden" von 1982 zeugt von einer klaren Botschaft.


Entpolitisierung am falschen Ende

Seit diesem Jahr wird die Verwendung von Flaggen strenger gehandhabt. Während im vergangenen Jahr noch Regenbogen- und Nonbinary-Fahnen auf der Bühne gezeigt werden durften, ist dies heuer verboten. Länderflaggen sind von der neuen Regelung ausgenommen und auch für das Publikum gelten andere Bestimmungen.

Dabei versteht sich der "Eurovision Song Contest" seit seinen Anfängen im Jahr 1956 als queeres Event und bot der Gemeinschaft in der Vergangenheit stets eine Bühne. Diversität und Vielfalt spiegeln sich nicht nur in den Teilnehmer:innen wider – die Veranstaltung lebt auch von ihren queeren Fans. Der Sieg von Conchita Wurst im Jahr 2014 war für Österreich, aber vor allem für die LGBTQIA+-Community, ein bedeutender Schritt in Richtung Sichtbarkeit. Viele Beteiligte fühlen sich daher durch das Flaggen-Verbot vor den Kopf gestoßen und empfinden es als Rückschritt im Zeichen von Inklusion und Toleranz. Eine Ambivalenz, die Fragen aufwirft.


Freunderlwirtschaft beim ESC

Liebäugeleien und Avancen zwischen einigen teilnehmenden Ländern führen dazu, dass die Punktevergabe seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema im Hinblick auf Fairness und Neutralität im Wettbewerb ist. Nicht selten kommt es vor, dass Nachbarländer oder Staaten mit gegenseitiger Sympathie einander die Höchstwertung geben – das Baltikum oder Skandinavien sind hierfür gute Beispiele.

Auch politische Umstände können bei der Punktevergabe eine entscheidende Rolle spielen: Der Sieg der Ukraine 2022, nur wenige Monate nachdem Russland dem Land den Krieg erklärt hatte, war angesichts der Solidarität und Anteilnahme vieler Staaten kaum überraschend.


Ausschlusskriterien?

2022 führte ein Zusammenschluss mehrerer teilnehmender Länder mit der Forderung nach dem umgehenden Ausschluss Russlands zu dessen Disqualifikation. Auch Israels Teilnahme ist seit dem vergangenen Jahr heftig umstritten: Trotz kritischer Stimmen im Vorfeld qualifizierte sich das Land 2024 für den ESC. Die Reaktionen fielen entsprechend verhalten aus – "Buh"-Rufe aus dem Publikum mussten für die Fernsehzuschauer:innen herausgeschnitten und mit Applaus-Audio überblendet werden.

Bislang wurde Protesten in diesem Jahr nicht stattgegeben. Die Europäische Rundfunkunion erklärte hierzu, dass Israel teilnehmen dürfe, da es durch den öffentlich-rechtlichen Sender KAN und nicht durch die Regierung vertreten werde.


Vergebliche Liebesmüh

Die kläglichen Versuche, die vor allem medial thematisierte Politisierung weitgehend einzudämmen, scheitern immer wieder aufs Neue. Der "Eurovision Song Contest" war schon immer politisch und er wird es auch immer bleiben.


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