Zeitenwende in der Verteidigung

Bundeswehr in der Kritik: Marode Technik und Personalmangel im Fokus

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von Luca Serdaroğlu

Bundeswehrsoldat:innen kämpfen nicht nur auf See, sondern oft auch mit veralteter Ausrüstung.

Bild: picture alliance/dpa | Philip Dulian


Neue Bedrohungen: Die Bundeswehr inmitten der Zeitenwende. Wie verteidigungsfähig ist Deutschland derzeit? Und was verspricht die Zukunft?

Der Wehrbericht 2024 hat es deutlich gemacht: Trotz Milliardeninvestitionen bleibt die Bundeswehr weit hinter ihrem Anspruch zurück. Zu wenig Personal, veraltete Ausrüstung, marode Infrastruktur - und das in einer Zeit, in der die Welt unsicherer wird. Russland zeigt offen seine Aggression, die USA wanken in ihrer Rolle als Schutzmacht Europas. Die Sicherheitslage hat die Bundeswehr längst überholt.

Wie gefährdet ist Deutschland wirklich - und wie gut sind wir auf mögliche Bedrohungen vorbereitet? Genau das fragt sich auch Journalistin Linda Zervakis in ihrer neuen Reportage "Under Attack - Wer Deutschland bedroht und wie wir uns wehren", am 27. Oktober um 20:15 Uhr auf ProSieben und Joyn.

Ein halbes Jahr lang taucht sie tief in die Welt der Verteidigung und Abschreckung ein, begleitet Soldatinnen und Soldaten, trifft Expertinnen und Experten - und erlebt hautnah, wie sich Deutschland gegen neue Bedrohungen wappnet.

Woran es bei der Bundeswehr-Aufrüstung scheitert

Neue Panzer, moderne Jets, funktionierende Flugzeuge - die Bundeswehr sollte eigentlich längst aufgerüstet sein. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine versprach der ehemalige Kanzler Olaf Scholz 2022 eine "Zeitenwende": 100 Milliarden Euro Sondervermögen sollten die Truppe endlich fit machen und helfen, den NATO-Pflichten nachzukommen. Denn: Jedes NATO-Land soll mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben zur Verfügung stellen. Doch knapp drei Jahre später zeigt sich: Viel Geld wurde zwar verplant, aber die Probleme bleiben - von moderner Ausrüstung bis zur personellen Stärke. Und das Budget läuft Ende 2027 aus.

Gewehre mit Ladehemmung und Panzer, die nicht rollen - hat die Bundeswehr wirklich nur technische Schwierigkeiten?

Bild: picture alliance/dpa


Bis Ende 2024 waren alle Mittel des Sondervermögens gebunden - für neue Kampfflugzeuge, Schiffe und Systeme. Trotzdem stand bereits fest: Die Lücken bleiben gewaltig. Statt 85 alter Tornado-Jets gibt es künftig nur 35 F-35-Maschinen - andere Länder wie Großbritannien oder Italien kauften deutlich mehr. Auch bei der Luftverteidigung ist das Bild ähnlich: Die Bundeswehr bestellt moderne Systeme wie Arrow-3 oder Patriot, aber (laut Expert:innen) in zu kleiner Stückzahl. Zum Vergleich: Während des Kalten Kriegs hatte Deutschland 36 Patriot-Einheiten, heute werden es gerade einmal 13 sein.

Bundeswehr zwischen Mangel und Mission: Wie Pistorius gegen leere Kassen kämpft

Beim Heer sieht es kaum besser aus. Viele Fahrzeuge wurden an die Ukraine abgegeben - ersetzt wurden sie bisher nur teilweise. Geplant sind 50 neue Schützenpanzer vom Typ "Puma", gebraucht würden aber mehr als doppelt so viele. Auch die neu versprochene Brigade in Litauen ist bisher weder vollständig ausgestattet noch finanziert.

Ähnlich düster ist die Lage bei der Marine: 2024 galten nur sechs U-Boote als einsatzbereit, obwohl die Bundeswehr eigentlich acht bis zwölf bräuchte. Neue Fregatten sind bestellt, aber nicht genug, um den Bedarf zu decken. Selbst eine Aufstockung wäre möglich - das Geld dafür fehlt jedoch. Verteidigungsminister Boris Pistorius kämpft schon seit Amtsantritt für mehr Geld, doch die Erhöhungen im Etat bleiben bislang bescheiden. Die milliardenschweren Rüstungsprojekte müssen sich über Jahre strecken, und der finanzielle Spielraum schrumpft. Fachleute warnen: Ohne langfristig höhere Ausgaben bleiben viele der dringend benötigten Modernisierungen auf der Strecke.

Fachkräftemangel und Technikprobleme: So einsatzbereit ist die Bundeswehr aktuell

Neben Technikproblemen plagt die Truppe ein massiver Personalmangel. Zwar sind aktuell über 260.000 Menschen bei der Bundeswehr beschäftigt, doch es fehlen Fachkräfte in nahezu allen Bereichen - von der Technik bis zur Logistik. Dazu sinkt die Zahl der Bewerber:innen, während die Anforderungen steigen und die große Aufholjagd der Bundeswehr bislang ausbleibt. Trotz Milliardeninvestitionen ist der Weg zu einer wirklich modernen, einsatzbereiten Armee noch weit. Zwischen maroder Technik, zu wenig Personal und knappen Mitteln steht die Truppe vor einer Mammutaufgabe: fit werden für eine neue Sicherheitslage - und das möglichst schnell.

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Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.

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