Zwischen Sorge und Hoffnung
Hannah Emde im Interview über "Terra X" und die großen Herausforderungen im Artenschutz
Aktualisiert:
von André M. A.Expeditionen und Expertise: Die Tiermedizinerin bereist für "Terra X" die Welt.
Bild: ZDF und Tobias Schult
Hannah Emde ist Tierärztin und ab dem 7. Dezember in der neuen Staffel der Doku-Reihe zu sehen. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen im Artenschutz und gibt Einblicke in ihre spannendsten Expeditionen. Sie erklärt zudem, warum man trotz alarmierender Zahlen zum Artensterben die Hoffnung nicht verlieren sollte.
Als Tierärztin und Artenschützerin sind Sie viel unterwegs. Welches Erlebnis auf Ihren Reisen ist Ihnen bisher am stärksten in Erinnerung geblieben?
Hannah Emde: Bei einem Dreh für "Terra X" in Costa Rica habe ich zum ersten Mal einen wilden Jaguar nachts am Strand getroffen, und das war für mich ein absolutes Highlight. Angst hatte ich nicht, aber Respekt vor so einer riesigen, kräftigen Raubkatze natürlich schon. Die Experten, mit denen wir unterwegs waren, achten genau darauf, wie nah man herangehen darf. Und am Ende entscheidet ja sowieso der Jaguar, wie nah wir kommen dürfen.
Gab es eine Situation auf einer Expedition, die Sie besonders herausgefordert hat?
Hannah Emde: In Guatemala sind wir auf einen 30 bis 35 Meter hohen Baum geklettert - bei fast 40 Grad während einer Hitzewelle. Sehr anstrengend. In Südafrika saßen wir auf einem Krokodil, um es zu besendern. Und in Kasachstan haben wir einen Kulan, also einen Wildesel, narkotisiert, und das Tier hat zwischendurch aufgehört zu atmen. In solchen Momenten muss jeder Handgriff sitzen, der Puls geht hoch. Aber ernsthaft gefährlich war es nie - wir passen immer gut auf.
Trotz Ihrer Leidenschaft für die Tierwelt gibt es auch ein Tier, das Ihnen nicht ganz so viel Freude bereitet, stimmt's?
Hannah Emde: Ja, genau. Ich bin kein großer Fan von Spinnen - obwohl ich als Wildtierärztin viel im Dschungel unterwegs bin. Dort sind sie oft handtellergroß, nicht wie bei uns zu Hause. Das gehört aber zum Job dazu und in der Wildnis kann ich Spinnen sehr viel besser aushalten als in der Wohnung an der Wand. Tiere mit sechs Beinen finde ich noch okay, aber acht Beine sind mir zwei zu viel. Wenn man im Dschungel übernachtet und morgens eine Vogelspinne auf dem Moskitonetz hat, ist das nicht gerade angenehm.
Expedition zum Schutz der Saigas: Für die neue "Terra X"-Staffel reist Tierärztin Hannah Emde nach Kasachstan.
Bild: ZDF und Oli Roetz
Sie haben das Privileg, Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu erleben. Für viele Menschen sind Zoos der einzige Ort, Tiere aus der Nähe zu sehen. Gleichzeitig geraten diese zunehmend in die Kritik. Wie blicken Sie persönlich auf das Konzept Zoo?
Hannah Emde: Es gibt große Unterschiede zwischen wissenschaftlich geführten Zoos oder kleinen Tierparks. Spannend finde ich Projekte wie in Kasachstan: Przewalski-Pferde wurden im Zoo aufgezogen und in der Steppe wieder ausgewildert - ein echtes Leuchtturmprojekt für den Artenschutz. Zoos können einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie ihre Ressourcen auf solche erfolgreichen Projekte konzentrieren. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Zoos diesen Weg gehen.
Woran können Besucher:innen erkennen, ob Tiere im Zoo gut gehalten werden?
Hannah Emde: Ich würde auf artgerechte Tierhaltung achten: Wie groß sind die Gehege, wirken die Tiere gesund, haben sie Nachwuchs? Außerdem: Welche Informationen gibt es zu Artenschutzprojekten? Wird erklärt, warum die Tiere hier leben oder ob sie Teil von Zuchtprogrammen sind? Sehr hilfreich ist auch der Austausch mit Tierpflegern - sie kennen ihre Tiere am besten und wissen, was ihnen guttut. Und natürlich können Siegel oder Mitgliedschaften in Fachverbänden Orientierung geben.
Trotz alarmierender Zahlen zum weltweiten Artensterben wirken Sie optimistisch. Wie finden Sie die Balance zwischen Sorge und Hoffnung?
Hannah Emde: Das ist eine meiner wichtigsten Aufgaben. Gerade mit "Terra X" versuchen wir immer, Projekte zu zeigen, die gegen diese Krise ankämpfen. Ein gutes Beispiel ist das Altyn-Dala-Projekt zur Wiederherstellung der goldenen Steppe in Kasachstan, das wir besucht haben. Dort war das Ökosystem komplett aus dem Gleichgewicht geraten, viele Tierarten waren verschwunden, weil sie gejagt und gewildert wurden. Durch die Wiederansiedlung kommt der Kreislauf jetzt wieder von selbst in Gang. Die ausbeutende Landwirtschaft, die dort früher zum Beispiel für Baumwolle betrieben wurde, wurde beendet, die Tiere kehren zurück - und die Natur kann ihre Prozesse wieder aufnehmen und von selbst funktionieren. Solche Beispiele geben mir Hoffnung, dass wir das Ruder noch herumreißen können, wenn wir der Natur Raum geben und an den richtigen Stellen unterstützen.
Sie arbeiten eng mit lokalen Teams in abgelegenen Regionen zusammen. Wie wichtig ist diese Zusammenarbeit für erfolgreichen Artenschutz?
Hannah Emde: Das ist für mich tatsächlich das Wichtigste. Wenn wir Artenschutz, Biodiversitätsschutz und Klimaschutz umsetzen wollen, müssen wir das mit den Menschen vor Ort tun - mit denen, die Tag für Tag in diesem Ökosystem leben und mit den oft harten Bedingungen umgehen müssen. Ich finde, es bringt überhaupt nichts, wenn ich als deutsche Tierärztin irgendwohin gehe und allein versuche, etwas zu retten. Es funktioniert nur in Zusammenarbeit mit den Leuten vor Ort - mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung im Austausch.
Sie moderieren inzwischen die dritte Staffel von Terra X. Wie war der Einstieg in diese neue Rolle?
Hannah Emde: Am Anfang war es ungewohnt, nicht mehr allein unterwegs zu sein, sondern ein Kamerateam dabei zu haben. Früher habe ich meine Geschichten nachträglich in Büchern oder Vorträgen erzählt, jetzt sind die Zuschauerinnen und Zuschauer unmittelbar dabei. Ich musste lernen, immer beide Ebenen im Blick zu behalten: die Tiere vor mir und die Menschen hinter der Kamera. Mittlerweile haben wir uns aber gut eingespielt, und ich freue mich riesig auf die neuen Folgen und die Projekte, die noch kommen.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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